Geschichte der
Kochkunst - Legenden der Kochkunst
Franz Pfordte
Wegbereiter hamburgischer und deutscher Esskultur

Franz Pfordte wurde am 23. Januar 1840 zu Delitzsch in
Sachsen geboren.
1858 kam er als Achtzehnjähriger einfacher
Kellner nach Hamburg, wurde "für immer Hamburger"
und fing in dem Restaurant „Wilkens Keller" an zu arbeiten.
Wilkens war ein bedeutender Feinschmecker, welcher das Restaurant im Jahre 1828
gründete. Das Restaurant von Wilkens hatte einen guten Ruf.
Schildkrötensuppe, Hummer, Austern und Kaviar, Delikatessen, die zu jener Zeit
im Binnenlande selten waren, standen hier schon auf der Tageskarte. Während des
Schleswig-Holsteinischen Krieges war es der Sammelpunkt der Offiziere und der
Diplomaten.
Schon ein Jahr später, im Jahre 1859, übergab Wilkens
sein Geschäft an Franz Pfordte. Dieser, ein Mann von außerordentlicher
Intelligenz und Weitsicht, verstand es, durch hervorragende Küche den Betrieb
immer weiter auszubauen und den Ruhm seines Hauses in die ganze kultivierte
Welt zu tragen.
Die alten Räume reichten für sein Restaurant nicht
mehr aus. Im Jahre 1878 kaufte Pfordte die Häuser Ecke Rathausmarkt und Plan
und gründete hier, im Zentrum Hamburgs sein neues Restaurant, was sehr schnell
zur vornehmsten Gaststätte Norddeutschlands avancierte.
Kaiser und Könige, Großfürsten und Herzöge, Künstler, Gelehrte und Diplomaten,
unter ihnen Bismarck und Moltke, alles was Ruf und Namen hatte, verkehrte
eifrig und gern in Pfordtes behaglichen Räumen und ließ es sich bei köstlichen
Speisen und auserlesenen, wohlgepflegten Weinen gut sein. Manch weittragender Entschluss
in Politik und Wirtschaft wurde hier gefasst, und mancher Zwiespalt überbrückt.

Restaurant von Pfordte um
1899 von einer Postkarte
Große Hamburger Ereignisse fanden stets ihre
Widerspiegelung bei Pfordte. Nach dem Derby an einem der berühmten Renndiners
teilzunehmen, gehörte mit zu den unerlässlichen Erfordernissen der exklusiven
Gesellschaft.
Die Aufgabe, seine Gäste zu befriedigen, nahm Franz
Pfordte nichts weniger als leicht. Er war ein begeisterter Anhänger der
französischen Kochkunstklassiker. Antoine Careme, Urbain Dubois und Emile
Bernard waren seine Vorbilder. Ein feines Empfinden sagte ihm jedoch, dass er
die Kunst dieser großen Franzosen nicht wahllos dem deutschen und besonders dem
Hamburger Publikum vorsetzen dürfe. So hielt er sich denn an die Rezepte, die
ihm am geeignetsten erschienen; änderte ab, fügte hinzu, schied aus, bis er
glaubte, den Geschmack seiner Gäste getroffen zu haben.
Er führte
jedoch nicht nur die französische Kochkunst in Hamburg ein, vielmehr
perfektionierte er sie und war so vielen Spitzenrestaurants in Frankreich überlegen.
Pfordtes Ehrgeiz war, jeden, der sein Restaurant
beehrte, zu einem so hervorragenden Feinschmecker zu erziehen, wie er es selber
war. Ein schwieriges Unternehmen, besonders bei den in kulinarischen Dingen
konservativen Hamburgern. Pfordte aber ließ sich keine Mühe verdrießen, und
diese Mühe wurde belohnt. Er setzte sich durch. Hamburg fing an, stolz auf den
Mann zu werden, dessen Küche weit über Deutschlands Grenzen berühmt war, und
dessen Haus einen bedeutenden Anziehungspunkt der Stadt bildete.
Im Jahre 1900 leitet Franz Pfordte aufgrund seines
internationalen Rufes und Formats als Küchenmeister von Weltformat das
deutsche Restaurant auf der Weltausstellung in Paris.
Alle deutschen Staaten waren auf dieser Weltausstellung vertreten, nur Hamburg
war es nicht, da die Hansestadt nach Meinung vieler Stadtväter aufgrund zu
dieser Zeit boomenden Wirtschaftslage schon genug ausgelastet war.
Auf dieser Weltausstellung begegnete Fritz Schumacher, der berühmte
Städtebauer, Pfordte. Er hielt es für wichtig genug diese Begegnung in seinen
zahlreichen Bücher zu erwähnen.
Schuhmacher schrieb wörtlich:
"Und doch feierte das als Aussteller fehlende Hamburg seine großen
Triumph, denn Pfordte bewirtschaftete das deutsche Restaurant in einer sogar in
Paris Aufsehen erregenden Weise."
Franz Pfordte machte das deutsche Restaurant zum kulinarischen und
gesellschaftlichen Mittelpunkt der Pariser Weltausstellung.
Fritz Schumacher wiederholte seine Begegnungen mit Franz Pfordte oft
im Hamburger Hotel Atlantic, den er liebte die gute Küche und war ein
Verehrer von Pfordte.
Über 30 Jahre lang war das Restaurant von
Franz Pfordte das kulinarische Highlight Norddeutschlands.
1909, als Pfordtes Restaurant aus unbekannten Gründen
anscheinend in Schwierigkeiten war, bekam er das Angebot im neu eröffneten
„Hotel Atlantic" sein Restaurant zu eröffnen.
Zeitgenössischen Berichten zufolge war das Zusammenspiel mit dem Atlantic genau
das Richtige, den Pfordte hatte, solange er alleine wirtschaften musste, in
seiner gastronomischen Extravaganz organisatorische und materielle Rückschläge
einstecken müssen.

Zeitungsanzeige zum Umzug ins Atlantic
Dort agierte er als Restaurantdirektor zusammen mit
seinem ersten Küchenchef, Alfred Walterspiel, für das Gelingen in diesem noblen
Palast an der Alster sorgte.
Um die Bedeutung der Küche hervorzuheben erhielt das Hotel den Namen
"Atlantic - Pfordte", der auf einem Dachgitter oberhalb der Fassade
in riesigen Lettern angebracht wurde.

Das Hotel Atlantic mit dem Namen "Atlantic-Pfordte"
Die Anziehungskraft und der Ruhm des Hotel Atlantic
und somit dessen Erfolg wurden durch Franz Pfordte wesentlich gemehrt.
Ein Gast der damaligen Zeit, der lange das Wirken von
Pfordte beobachtet hatte, begründete den herausragenden Erfolg damit, dass er
die Noblesse des Herzen hat. Pfordte schaffte es immer, dass unter den Gästen
ein familiäres Verhältnis der Vertrautheit herrschte, und jeder fremder Gast in
diese Atmosphäre miteinbezogen wurde.
Franz
Pfordte übertraf mit seinen kulinarischen Fachkenntnissen die meisten seiner internationalen
Küchenchefskollegen beurteilte sein damaliger Küchenchef Walterspiels.
Was Franz Pfordte in der Küche des Atlantics aufbaute
war eine der modernsten Errungenschaften im Hotelwesen. Ein Chronist (Keitner)
beschreibt es so:
"Dahin gehören die erstaunlich ausgedehnten Küchenanlagen, eine Welt
für sich, wo eine Spezialisierung stattgefunden hat, welche die Küche in vielen
Abteilungen trennt. neben all diesen Departments für Suppen und Verwandtes, für
Gebratenes und Gebackenes, Saucen, Geflügel, Fischgerichte usw. glänzen
Konditorei, die Anrichteräume für kalte Platten, die Gefrierräume und eine
Anzahl weiterer Unterabteilungen der Küche".

Die Küche bei er Eröffnung
Diese Arbeitsorganisation in der Küche war zu der
damaligen Zeit in Deutschland einzigartig. Die neuartige Küchenorganisation mit
den sogenannten "Postensystem" übernahm Pfordte aus der französischen
Küche, die um die Jahrhundertwende vor allem von Auguste Escoffier in Frankreich praktiziert wurde.
Durch dieses System konnte die Küche wesentlich professioneller arbeiten und
steigerte dadurch die Perfektion der Kochkunst.

Die Küchenbrigade von Franz Pfordte
Aber diese Spezialisierung birgt natürlich die Gefahr,
dass der einzelne Koch zum sogenannten "Fachidiot" wird und nicht mehr
die Küche als das ganzes sieht und eine gewisse Entpersönlichung stattfindet.
Franz Pfordte wirkte dem aber entgegen wie ein Dirigent, der seine Musiker und
jedes Instrument inklusive jedem Ton bis in Detail kennt.
Bei Pfordte im Restaurant zu Essen war eben nicht das Einfache sattwerden;
es war ein perfekte Inszenierung wie bei einem Opernbesuch.
Pfordte War
Nobel aber nicht Großspurig. Für ihn war es eine Frage der Kultur sein
Restaurant etwas kostspieliger einzurichten. Und dies geschah nicht aus
Protzigkeit sondern um seinen Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu
gestalten.
Im Gegensatz zu den großen französischen Restaurants war Pfordte der Meinung,
dass die Gläser in einem Restaurant dem Charakter des Weines angepasst werden
müssen, anstatt für jeden Wein das gleiche Glas zu nehmen.

Restaurant
Pfordte hatte viel Wert auf die Auswahl der Weine in seinem Restaurant gelegt,
so dass er "das weitaus beste Weinlager Deutschlands" im Atlantic
hatte.
Die Bestecke in seinem Restaurant waren ausschließlich aus Silber, die Tische
waren immer mit Damastwäsche gedeckt. Zu einem guten Essen gehörte nach
Pfordtes Meinung auf jeden Fall auch eine Serviette aus Damast, die
auf nicht zu klein sein durfte.
Am 28. Januar 1917 endete der Tod das
Schaffen des Königs hamburgischer und deutscher Kochkunst.
"Hamburg wäre ihm ein Denkmal schuldig" sagte
schon damals Alfred Walterspiels. Ein Vorschlag der bis jetzt leider noch nicht
wahr geworden ist.
Diese
Informationen stammen aus dem Buch seiner Frau Henny Pfordte von 1927
Rezepte von Franz
Pfordte
Menükarten
von Franz Pfordte

Anekdoten und
Textausschnitte über Franz Pfordte
Theodor Fontane erwähnte in seinem Roman
"Die Poggenpuhls" 1894:
"Ja,
Berlin wird Weltstadt. Aber was mehr sagen will, es wird auch Seestadt. Sie
reden ja schon von einem großen Hafen, ich glaube, da bei Tegel herum - und ich
kann wohl sagen, diese Seezunge schmeckt, als ob wir den Hafen schon hätten
oder als ob wir hier mindestens in Wilkens Keller in Hamburg säßen."
Detlev von Liliencron
widmete ihm literarisches Lob:
"Am
besten wird gegessen in der Welt / In Hamburg, diesem edlen Beefsteakorte. /
Und hier, doch selten ohne vieles Geld, / Ganz ausgezeichnet in der Tat, bei Pfordte."
"Ja, wär´s
so kund und weltberühmt mein Name, wie ihn Pfordte trägt, ich wär
zufrieden..."
"ist das
nicht größte Trommel und Reclame, So kann ich wahrlich bessere nicht schmieden.
Liest Pfordte später diese Rhapsodie, er schickt mir gleich zwei Flaschen
Pommery."
Wolf Graf von Baudissin (Freiherr von Schlicht)
schreibt in seiner Biographie:
"Linsingen
liebte es manchmal, von Lübeck nach dem nahen Hamburg zu fahren, um dort bei
dem weltbekannten Franz Pfordte zu essen. Er lud sich häufig ein paar
seiner Leutnants ein, ihn, selbstverständlich auf seine Kosten, nach Hamburg zu
begleiten und dort seine Gäste zu sein. Das ließen sich die Herren natürlich
nicht zweimal sagen, aber als sie eines Abends, als sie wieder bei Pfordte
geschlemmt hatten..."
Eugen Wolf (Im
Innern Chinas, 1896)
"Nur
einmal wieder auf eine Stunde beim kleinen Franz Pfordte in Hamburg
sitzen zu können, am schneeig-weißen, mit feinen Gläsern gedeckten Tische,
gewaschen, gekämmt, rein angezogen! dann wollte ich gern wieder hinaus in den
Schmutz, in die Entbehrung, in ungewaschenem Topfe Mortons schmieriges,
australisches Hammelfleisch dämpfen und es von eiskalten Eisentellern, während
das Fett gerinnt, herunterwürgen!"
Carl Hau (Das
Todesurteil, 1925)
"Hauptthema
war die weltberühmte Hamburger Küche. Der Herr Leutnant sprach seine höchste
Anerkennung aus, der andere nahm sie entgegen wie einen ihm persönlich
gespendeten Tribut. Ja, die Hamburger Küche, so etwas gebe es in der ganzen
Welt nicht mehr; S. M. habe erst neulich geäußert, wenn er nach Hamburg komme,
freue er sich wie ein Schneekönig, einmal ganz prima essen zu
können. »Apropos, Sie haben doch bei Pfordte diniert?« Nein,
der Herr Leutnant hatte nicht bei Pfordte diniert. »Um Gottes
willen,« entsetzte sich der Hamburger, »da haben Sie ja das
Wichtigste versäumt. Das ist, wie wenn Sie in Rom gewesen wären, ohne den Papst
zu sehen. Wie kann man in Hamburg sein, ohne bei Pfordte zu
essen!« In hilflosem Staunen ließ er seine Augen von einem zum anderen
gehen und zuletzt auf mir ruhen, ich befürchtete schon, daß er auch an mich die
Schicksalsfrage richten würde, ob ich bei Pfordte diniert hätte, worauf
ich hätte sagen müssen, nein, ich habe im Gefängnis diniert, aber es war fast
so gut wie bei Pfordte."
Ilse Frapan (Flügel auf!, 1895)
"...und
die andern, na, die werden wohl auf’m Jungfernstieg rumlaufen, bis sie ins
Wiener Café oder sonst wo reinfallen, bei Pfordte oder so – es ist immer
so amüsant, wenn nachher dann alle ihre Abenteuer erzählen."
Fritz
Schumacher über Pfordte:
"Pfordte
war den Fremden gegenüber in der Tat, neben Ballin und Hagenbeck, der Stolz des
guten Hamburgers, und ich muß gestehen, daß es mir einen unvergeßlichen
Eindruck gemacht hat, als ich zum ersten Mal bei einem Diner in seinem Hotel
Atlantic erlebte, wie der kleine, seltsame Mann beim Nachtisch von Stuhl zu
Stuhl ging und mit seinen Freunden einige geschickte Worte wechselte.
Mein jovialer Nachbar sagte:<<Herr Pfordte, wir sind nicht ja garnicht
satt geworden.>> Pfordte antwortete darauf ganz selbstbewusst und in
feierlicher Würde:<<Das sollen Sie auch garnicht, Essen hat den Zweck,
sich etwas zu delektieren.>>
Was mir dabei weit mehr als die Delikatessen und die unwahrscheinlich
guten Weine imponierte, war die vollendete Kultur der Tafel."
www.koch-welten.de
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